Engagement:
AKI-Dialoge mit Unternehmen der Real- und der Finanzwirtschaft in Deutschland
Der AKI hat sich im September 2024 eine überarbeitete Engagement-Leitlinie gegeben und veröffentlicht diese auf seiner Website. Ziele der neuen Policy sind die Schärfung des kirchlichen Profils des Engagements und die Verbesserung der Transparenz.
Kirchliche Investoren sind sich ihrer Verantwortung für die Schöpfung und für alle Geschöpfe bewusst. Als Akteure des Finanzsektors haben sie die zusätzliche Verantwortung, auch die Risiken der Unternehmen, in die sie investieren, beurteilen zu können. Auch die Unternehmen tragen Verantwortung für den Schutz des Klimas und der Biodiversität. Im Sinne der doppelten Wesentlichkeit müssen sie darüber Auskunft geben können, welche Auswirkungen(„impacts“) ihr unternehmerisches Handeln auf Klima und Natur hat und ebenso über die Risiken (und Chancen) von Umweltthemen für ihre finanzielle Lage und die Zukunft ihres Geschäftsmodells. Parallel zum Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 haben 2022 fast 200 Regierungen Ziele im Rahmen des Kunming-Montreal Global Biodiversity Frameworks (GBF) zur Eindämmung und Umkehr des Naturverlusts festgelegt. Ziel 15 des GBF fordert Unternehmen auf, ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Biodiversität zu überwachen, zu bewerten und transparent offenzulegen. Zusätzlich zum Umweltengagement wendet sich der AKI 2024 mit dem Thema Tiefseebergbau an Unternehmen im DAX. Erläuterungen dazu und zum gesamten Projekt finden sich im Engagementplan.
Der AKI hat beschlossen, 2023 die Engagementaktivitäten im Bereich Klima thematisch um wichtige Aspekte von Biodiversität zu ergänzen. Beide Themen hängen im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung eng miteinander zusammen und sollen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Die bisherige Fachgruppe Klima, die die Unternehmensgespräche vorbereitet, durchführt und nachbereitet, hat sich entsprechend umbenannt in "Fachgruppe Umwelt". Das Thema Biodiversität soll in einem ersten Schritt mit Fokus auf den Umgang von Unternehmen mit Wasser und mit Bezug auf SDG 6 aufgegriffen werden. Im Exposé des Engagementprojekts wird das Vorhaben näher erläutert.
Für die Engagementfragen zum Thema Klima werden die sehr hilfreichen Werkzeuge des Projekts "Pathways to Paris" genutzt: sektorübergreifende sowie sektorspezifische Kennzahlen (KPI) sowie die Orientierungsrahmen für die adressierten Sektoren Straßengüterverkehr, Automobil, Gewerbeimmobilien und Wohnungswirtschaft. "Pathways to Paris" zielt auf die Zusammenarbeit zwischen Real- und Finanzwirtschaft ab und hilft Vertreter:innen beider Bereiche, die Transformationsanforderungen zum Erreichen der Treibhausgasneutralität umfassend zu verstehen, für sich als handlungsleitend zu akzeptieren und in konkret operationalisierbare Investitions- und Maßnamenpläne zu übersetzen.
Die EKD und Hilfswerke wie „Brot für die Welt“ setzen sich seit Jahren für ein
Lieferkettengesetz ein, das Unternehmen dazu verpflichtet, mögliche
Menschenrechtsverstöße in ihrem Geschäftsbereich oder in ihren Lieferketten zu
identifizieren und zu unterbinden. Im Juni 2021 trat ein solches Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft. Es gilt ab 2023 für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern und ab 2024 für
Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Das Gesetz schafft keine zusätzliche
zivilrechtliche Haftung bei Verstößen, es können jedoch Bußgelder bzw. ein Ausschluss von
öffentlichen Aufträgen für bis zu drei Jahre verhängt werden. Die Wirksamkeit dieses
Gesetzes wird auch davon abhängen, welche Anstrengungen Unternehmen auf sich
nehmen, um den neuen Anforderungen zu entsprechen. Bleibt es bei einem oberflächlichen
Aufstellen von Grundsatzerklärung, Risiko- und Beschwerdemanagement, so wird sich für die
Betroffenen nur wenig ändern.
Welche Unternehmen sollen angesprochen werden?
Bei diesem Engagement geht es um die wirkungsvolle Implementierung von Prozessen in
Unternehmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in deren Einflussbereich. Es
geht also um Prozesse, die möglichst effizient und wirksam die jeweils für
ein Unternehmen relevanten Menschenrechtsrisiken adressieren, nicht um einzelne Menschenrechtsverstöße. Für die Auswahl von Unternehmen werden deshalb zwei Regeln
vorgeschlagen:
1. Das Unternehmen ist in einer der von der OHCHR als hochrisikoreich eingestuften
Branchen tätig. (Bergbau, Nahrungsmittelproduktion und Landwirtschaft, Bau und
Infrastruktur, Produktion von Textilien), wobei Unternehmen, die nur innerhalb
Europas tätig sind und keine nennenswerte Lieferkette in Risikoregionen haben,
ausgenommen wurden. Anderseits wurden auch Unternehmen aufgenommen, die
direkt Agrarrohstoffe aus Risikoländern beziehen.
2. Das Unternehmen wurde innerhalb der letzten fünf Jahre aufgrund von Hinweisen
auf Menschenrechtsverletzungen in seinem Einflussbereich vom „Business and
Human Rights Ressource Center“ angeschrieben und die Hinweise sind prinzipiell
noch relevant.
Das Ziel ist die Umsetzung von Maßnahmen zur Erfüllung des Lieferkettengesetzes durch Unternehmen im Sinne der Empfehlungen der UN-Agentur „Shift". Shift ist das führende Kompetenzzentrum für die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und hat die „Signals of Seriousness for Human Rights Due Diligence“ veröffentlicht. Dieses Ziel ist für den AKI vornehmlich ein ideelles, enthält aber auch eine materielle Komponente. Da Verstöße gegen das Lieferkettengesetz mit Bußgeldern bis zu 2 % des Jahresumsatzes sowie dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen einhergehen können, haben Investoren auch ein materielles Interesse daran, dass Unternehmen das Gesetz gewissenhaft umsetzen. Die Zielerreichung wird an der Berichterstattung der Unternehmen zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes gemessen.
Das Engagement mit den großen Finanzdienstleistern Allianz Global Investors, Commerzbank, DekaBank, Deutsche Bank, DZ Bank, HSBC, PIMCO, Union Investment, Vontobel und Warburg erwächst aus dem Alltag kirchlicher Finanzverantwortlicher und bündelt deren Aktivitäten im AKI. Es ist die Umsetzung der im Leitfaden aufgestellten Forderung nach einem regelmäßigen Dialog mit Kreditinstituten und Vermögensverwaltern zu ethisch-nachhaltigen Anliegen (S. 17 f.). Ziele des Engagements sind Nachhaltigkeits-Policies für die Kreditvergabe und Investitionen sowie deren Umsetzung. Praktiziert wird das Engagement in Form von persönlichen Gesprächen der AKI-Fachgruppe Finanz mit Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmen aus dem Vorstand, den Abteilungen Investor Relations, institutionelle Kunden und Nachhaltigkeit. Für die Gespräche wird in der Regel Vertraulichkeit vereinbart.
Typische Fragen sind zum Beispiel:
- Wie ist die Verknüpfung der variablen Vergütung mit Nachhaltigkeitszielen (KPIs)?
- Wie werden die Daten zu den wichtigsten nachteiligen (Nachhaltigkeits)-Auswirkungen gemäß der EU Offenlegungsverordnung (PAI) berechnet? Werden diese Berechnungen extern geprüft?
- Wie schätzen die Institute globalen Risiken ein?
- Ist die Kreditvergabe in die Atomwaffenproduktion nur in Ländern ausgeschlossen, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben?
- Sind die Institute Mitglieder von Net Zero Banking Alliance und/oder UNPRI?
- Wie werden im Bereich Menschenrechte die UNGP umgesetzt?
- Welche Angaben können zu gender board diversity und gender pay gap gemacht werden?
Vorgehensweise:
Für das auf drei Jahre angelegte Engagement „Lohn zum Leben“ wurden sieben börsennotierte Textilunternehmen aus Deutschland ausgewählt: adidas, Hugo Boss, Gerry Weber, Puma, Metro, Zalando und Tom Tailor.
Zu den sieben Unternehmen wurden vom Südwind-Institut Portraits erstellt. In diesen wurden alle vom jeweiligen Unternehmen veröffentlichten Informationen zum Thema Existenzlohn aufgelistet, darunter auch die von der Clean Clothes Campaign identifizierten Maßnahmen auf dem Weg zur Zahlung eines Existenzlohns. Diese sind:
- Gewerkschaftsfreiheit
- Mitgliedschaft in einer Organisation, die sich die Umsetzung des Existenzlohns zum Ziel gesetzt hat
- Beschwerdemechanismus
- Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Frauen
- Pilotprojekte zum Existenzlohn
- Eindämmung der Zeitarbeit
- Verbesserung der Produktivität
- Integration des Existenzlohns in den Kaufpreis
Auf dieser Grundlage wurden mit den ausgewählten Textilunternehmen zwischen Oktober 2016 und April 2017 erste Gespräche geführt. Im Anschluss daran wurden über Kontakte zu Organisationen in den Produktionsländern Lohnabrechnungen gesammelt und ausgewertet. Diese ergaben, dass die tatsächlich gezahlten Löhnen zum Teil weit davon entfernt waren, existenzsichernd zu sein, selbst wenn vergleichbar moderate Systeme zur Berechnung des Existenzlohns verwendet werden. In einer zweiten Gesprächsrunde zwischen Januar und Oktober 2018 wurden die Ergebnisse dieser Recherche mit den Unternehmen diskutiert und nach Fortschritten in den oben genannten Bereichen gefragt.
Ergebnisse:
Das Thema des Engagements war aufgrund seines ausgeprägt kirchlichen Profils bewusst gewählt worden. Für den AKI ergibt sich ein solches Profil aus einer Kombination theologisch-ethischer Überlegungen („ein Arbeiter ist seines Lohnes wert“) und der entwicklungspolitischen Bedeutung. Existenzlöhne sind einerseits zentral für eine Verbesserung der Lebenssituation von Millionen von Textilarbeiterinnen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie sind ebenso entscheidend dafür, dass die im Textilsektor entstandenen Arbeitsplätze tatsächlich einen Beitrag zur Entwicklung in diesen Ländern leisten. Gleichzeit war von vornherein deutlich, dass es bei Textilunternehmen einen großen Widerstand gibt, dieses Thema ernsthaft zu behandeln, weil sie fürchten, dass eine Umsetzung zu höheren Preisen und geringeren Gewinnmargen führt.
In allen Gesprächen spielte diese Besonderheit des Themas eine große Rolle. Zwei Unternehmen blieben bis zum Ende des zweiten Gesprächs bei ihrer ausweichenden und abwehrenden Haltung. Andere nahmen sich des Themas an und machten erste Umsetzungsschritte. Hier hat das Engagement des AKI dazu beigetragen, dem Thema Existenzlöhne eine höhere Bedeutung für die Corporate Social Responsibility zu verschaffen. Zwei Unternehmen erklärten sich erst bereit, zu berechnen, wie hoch ihr Einkaufpreis liegen müsste, um einen Existenzlohn zu bezahlen, legten diese Daten dann aber doch nicht vor. Der bedeutendste Meilenstein war der Entschluss eines Unternehmens, sich aufgrund des AKI-Engagements dem Bündnis „ACT“ anzuschließen, das sich ausschließlich mit dem Thema Existenzlöhne beschäftigt.
Während das „Lohn-zum-Leben“ Engagement sehr intensive und in die Tiefe gehende Gespräche mit einzelnen Unternehmen vorsah, zielt das Klima-Engagement des AKI eher in die Breite. Es geht um Dekarbonisierung, die darum gegenwärtig ein vorrangiges ethisch-nachhaltiges Ziel kirchlichen Handelns ist, weil ohne sie auf der Ebene der Sozialverträglichkeit Werte wie Menschenrechte, Gerechtigkeit, Demokratie und Sicherheit bedroht sind, auf der Ebene der Ökologie zahlreiche Lebensräume und Artenvielfalt zerstört werden und auf der Ebene der Generationengerechtigkeit den kommenden Generationen die Lebensgrundlage entzogen wird. Die CDP-Ratings sind eine international anerkannte Klimaratingmethode für Unternehmen. Unternehmen können Maßnahmen ergreifen, um ihr CDP-Rating zu verbessern und auf diese Weise zur Dekarbonisierung beitragen. Für das Engagementprojekt werden Unternehmen ausgewählt, die in deutschen Indizes gelistet sind und bei CDP kein A-, (A-)- oder B-Rating erhalten. Ziel ist es, diese Unternehmen dazu zu motivieren, sich von CDP raten zu lassen und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um mindestens ein B-Rating zu erzielen. Außerdem sollen ab 2018 die Unternehmen – wie von CDP gefordert – die Empfehlungen der von Michael Bloomberg gegründeten internationalen Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD) umsetzen. Dieses Projekt wird in der Form von der britischen AKI-Partnergruppe, der Church Investors Group, bereits seit 2013 mit britischen Unternehmen praktiziert. Die Wirksamkeit des Vorgehens wurde von der Universität in Edinburgh untersucht und bestätigt. Der AKI füllt mit diesem Projekt die Partnerschaft mit der CIG mit Leben und beteiligt sich erstmals an einem internationalen Engagementprojekt kirchlicher Investoren.
2021 war das fünfte Jahr, in dem der AKI sich mit Fragen zur Klimaverantwortung an börsennotierte Unternehmen richtete, hauptsächlich aus DAX und MDAX. Es wurden 15 Unternehmensdialoge geführt; insgesamt stieg die Anzahl der Gespräche im Klima-Engagement-Projekt damit auf 64. Mehr zum Vorgehen und zu den Ergebnissen hier im Klima-Engagementbericht 2021.
Kirchliche institutionelle Investoren der beiden großen Konfessionen hatten sich 2019-2021 zu einem befristeten Engagement-Projekt zusammengeschlossen zum Thema „Ökologische und menschenrechtliche Risiken in der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie am Beispiel von Lithium, Platin und Kautschuk“. Beteiligt daran waren außer den kirchlichen Investoren "Brot für die Welt" (Platin, Lithium) und das Institut Südwind (Naturkautschuk). Ziel dieses Engagement-Projekts war es, in einem ersten Schritt die drei Hersteller Daimler, BMW und VW und in einem zweiten Schritt die Zulieferer Continental und BASF auf ihre jeweilige Verantwortung zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten anzusprechen. Angesichts des Umbruchs zu mehr Elektromobilität wurde von den Konzernen Lieferkettentransparenz auch bei sogenannten Konfliktmineralien eingefordert und in den Dialogen die Perspektive der betroffenen Menschen in Ländern verdeutlicht, die in den meisten Fällen als Hochrisikoländer einzustufen sind.
Der AKI hat eine Übersicht über die 44 Engagementdialoge veröffentlicht, die in den Jahren 2021 und 2022 hauptsächlich zu den Themen Menschenrechtsrisiken, Klimastrategien und ihre Umsetzung sowie Nachhaltigkeit von Finanzdienstleistern durchgeführt wurden. Auch für 2020 wurde ein Engagementbericht veröffentlicht.